Schoppensänger und Musikverein Sulzbach luden zum Konzert in der Schulaula
Main-Echo, 11. April 2000
Sulzbach. Schon unter Dietmar Rehse, erst recht aber, seit dessen Sohn Winfried die Stabführung übernommen hat, ist das junge Ensemble der »Edelweiß«-Musiker bekannt dafür, dass es vor modernen, eher experimentellen Stücken nicht zurückscheut und dem Publikum durchaus etwas »zumutet«. Genau so war es auch diesmal beim Frühjahrskonzert in der Aula der Volksschule.
Es ging los mit dem Titel »Choral Music« des jungen holländischen Komponisten Jacob de Haan. Von »Choral« war zunächst gar nichts zu hören. Ganz temperamentvoll, mit Soloeinlagen des Schlagzeugs und hellen Fanfarenklängen begann es, erst später war ansatzweise zu vernehmen, was der Titel versprach, bevor das außerordentlich interessante Stück triumphal endete. Die Ouvertüre von Giuseppe Verdis Oper »Nebukadnezar« bot einen Strauß vieler Themen, unter ihnen natürlich auch den berühmten »Gefangenenchor«, und bewies eindrucksvoll das breite Spektrum, über das die Sulzbacher Musiker verfügen. Unter Rehses sensibler und doch fester Leitung gestalteten sie alle Stimmungs- und Tempowechsel bruchlos und rundum überzeugend aus. Das Publikum klatschte zwar ein bisschen zu früh – aber so ein Potpourri ist ja auch ganz schön gefährlich!
Die volkstümlich angehauchte »Mühle im Schwarzwald« leitete zu den weiteren Akteuren des Abends über. Die Bläser hatten sich nämlich die weit über Sulzbach hinaus bekannten »Schoppensänger« eingeladen. Hinter der Bezeichnung verbergen sich 16 seriöse Herren im schwarzen Anzug und mit Fliege, die Werner Durschang mit großer Intensität leitete und zu beeindruckenden Leistungen führte. Mit einer Mischung zwischen Comedian Harmonists und Mainzer Hofsängern lieferte das Ensemble den Beweis, dass es über ausgezeichnete Solostimmen verfügen, aber auch in überzeugender Harmonie als Gesamtklangkörper auftreten kann. Das galt für Auftritte zusammen mit wechselnden Bläsergruppen (bei Heinrich Schäfers »Die Post im Walde« gefiel vor allem das Trompetensolo des »Postillons« Winfried Rehse) und die allein zelebrierten.
Zart und intensiv erklang die schwermütige Weise vom Testament des Hauptmanns, das Publikum wurde beim brasilianischen »Rullaley« zum Mitsingen und Mitklatschen animiert. Bei Bernhard Webers »Kleinem Blumenstrauß« bewiesen die Sänger Temperament und kamen in »La Marchia longa« mit »Pfiff« daher. Szenisch und dramaturgisch besonders gelungen: »Da montelbel«, das von Werner Durschang den Sängern auf den Leib geschneidert wurde.
Stellenweise – so zum Beispiel beim Einzugsmarsch aus Johann Strauß´ »Zigeunerbaron« – wirkten die schönen Stimmen der Sänger zwar im Zusammenspiel mit den Bläsern ein wenig zu zart, dennoch kann das Experiment als gelungen gewertet werden. Das fanden auch die Zuhörer, wie der Beifall zeigte.
Nach der Pause kamen die Blasmusik-Fans wieder voll auf ihre Kosten, als die Kapelle beispielsweise Melodien aus »West Side Story« schwungvoll vortrug und Ennio Morricone noch zu dessen Lebzeiten ein musikalisches Denkmal setzte. Dynamik und Spielfreude legten die jungen Musiker an den Tag; auch am Ende – bei den fast schon obligatorischen Zugaben – wirkten die Akteure frisch und temperamentvoll und verdienten sich den begeisterten Beifall des Publikums. Nicht geringen Anteil am Erfolg hatte Dietmar Rehse, der durch das Programm führte und auch Blasmusiklaien mit Hintergrundinformationen das Verständnis erleichterte.
Dr. L.