Edelweiß Sulzbach: Frühjahrskonzert keine Mogelpackung – Musiker im Alter von zehn bis 80 Jahren
Main-Echo, 26. April 1999
Sulzbach. Nicht immer ist heutzutage das drin, was auf der Verpackung steht, doch beim Sulzbacher Musikverein Edelweiß, der in der Aula der Volksschule sein Frühjahrskonzert gab, ist wirklich Musik drin. Dies gilt für jedes einzelne Mitglied des Orchesters, von dem fast 80jährigen an der großen Trommel bis hin zur gerade mal zehnjährigen Saxophonspielerin, und ganz besonders für seinen jungen Dirigenten Winfried Rehse. Die Bühne der Aula war fast zu klein, um alle Musiker aufzunehmen, im Zuschauerraum hingegen waren etliche Plätze frei geblieben. Insgesamt bot der Musikverein ein abwechslungsreiches und teilweise anspruchsvolles Programm. Blasmusik reduziert sich nicht auf Märsche, doch ab und zu darf einer sein, so beispielsweise der Graf-Zeppelin-Marsch von Carl Teike, der als Einspielstück geeignet war. Schwieriger war da schon James Curnows »Mid-West Golden Jubilee Ouverture«. Zupackend gelang der rhythmisch vorwärtstreibende erste Teil, während beim eher lyrischen zweiten Teil noch am Zusammenspiel und der Klanggestaltung gefeilt werden müßte. Mit vollem Bläsersound glänzte das Orchester beim feierlich schreitenden Motiv der »Jupiter-Hymne«, dem ersten Satz aus Gustav Holsts Planeten-Suite. Man merkte, daß die Spieler »in die Gänge« gekommen waren. Es gab nur noch wenige Ansatzprobleme, das Zusammenspiel war gefestigt und sicherer geworden. Volkstümlich im besten Sinne und abwechslungsreich dazu waren die drei »Melodien aus Cloucester« des Briten Hugh Stuart.
Wuchtig, im feierlichen Schreittakt, entfalteten die Musiker Edvard Griegs Huldigungsmarsch, zuerst gedämpft in den unteren Lagen, später dann im vollen Glanz schmetternder Trompeten. Seinen Abschluß fand der erste Teil des Abends mit der bekannten Donner-und-Blitz-Polka von Johann Strauß (Sohn). Das Stück wurde schmissig gespielt, das Nacheinander von Blitz (Becken) und Donner (Trommel) klappte vorzüglich. Wenn man noch mehr die Gegensätze von Piano und Forte betont, dann klingt das wie im Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker.
War der erste Teil eher der »klassischen« konzertanten Blasmusik gewidmet, so galt der zweite Teil des Abends dem moderneren Big-Band-Sound. Swingend und mit viel Drive erklangen »The Exciting New Harmonie Band« des Holländers Ted Huggens und »Hits International« von Manfred Schneider. Besonders letzteres erwies sich als gefälliges und stilsicheres Arrangement. Unter der sorgfältigen Leitung ihres Dirigenten zeigten sich die Musiker auch hier rhythmisch sicher, die Synkopen kamen nicht »verwaschen«, sondern fielen präzise neben den Taktschlag, die Einsätze waren exakt. Winfried Rehse ist kein Showtalent, hüpft nicht wie mancher Big-Band-Leader auf der Bühne herum. Er dirigiert mit eher sparsamen Bewegungen, doch immer dann, wenn man als Musiker ihn braucht, ist er mit Einsatzzeichen oder musikalischen Hinweisen zur Stelle. Beim folgenden Stück »The Lord of The Dance« wäre man nicht erstaunt gewesen, Michael Flatley mit seinen irischen Tänzerinnen steppen zu sehen. Raffiniert gelang dabei die Nachahmung von Dudelsack, durchdringend klang das Spiel der Flöten. Der Witz des Stücks beruht auf der ständigen Beschleunigung des Grundschlags, so daß am Ende ein fast bacchantischer Taumel entsteht.
An Rondo Veneziano erinnerte die »Sinfonia per un addio«, die einen Versuch darstellt, barocke Musik in moderner Version zu bieten. Fast professionell wirkte der Abschluß, John Sousas »Stars And Stripes Forever«. Hier klappte einfach alles: der donnernde Beginn, der Wechsel der einzelnen Instrumentengruppen, Ritardandi und Steigerungen, die sangliche Kantilene im Trio und das fast schon virtuose Umspielen der Melodie durch die Pikkoloflöte.
Kein Wunder, daß Zugaben gefordert und gerne gewährt wurden, darunter der unverwüstliche Radetzky-Marsch.
Werner Ziegler